Die Alzheimer-Krankheit

Nicht zu vergessen: die Alzheimer-Krankheit

Derzeit leben schätzungsweise 47 Millionen Menschen weltweit mit Demenz. Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste neurodegenerative Erkrankung und die Hauptursache für Demenz (65%). Alle 3 Sekunden entwickelt jemand auf der Welt Demenz. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2018, leiden mehr als 9.000 Menschen in Luxemburg an Alzheimer. Da das Altern als der wichtigster Risikofaktor gilt, wird diese Zahl in den nächsten Jahrzehnten aufgrund der steigenden Lebenserwartung erheblich zunehmen.

Die Patienten zeigen schwere Gedächtnisstörungen, kognitiven Verfall und neuropsychiatrische Symptome. Obwohl die klinischen Symptome ziemlich genau definiert sind, sind die molekularen Mechanismen, die der Hirnfunktionsstörung bei Alzheimer-Patienten zugrunde liegen, immer noch schlecht charakterisiert. Infolgedessen steht derzeit keine Behandlung zur Verfügung, um die Krankheit zu verlangsamen oder zu heilen. Am LCSB untersuchen wir die zugrunde liegenden Mechanismen neurodegenerativer Erkrankungen, um letztendlich neue Wege zur Behandlung der Krankheit zu entwickeln.

Tiefer Einblick ins Gehirn

Die Alzheimer-Krankheit ist komplex und viele Faktoren tragen zu ihrer Entwicklung bei. Viele Jahre lang konzentrierte sich die Forschungsgemeinschaft fast ausschließlich auf die abnormale Anreicherung des Amyloid-Proteins, von dem angenommen wurde, dass es die Ursache für das Absterben von Nervenzellen im Gehirn von Alzheimer-Patienten ist. Heute wissen wir, dass das nur ein Teil des Rätsels ist. Am LCSB versuchen Forscher, die Rolle anderer Zelltypen neben den Nervenzellen beim Fortschreiten der Krankheit zu entschlüsseln. Im Gehrin kommen Gliazellen nämlich zehnmal häufiger vor als Nervenzellen und gewährleisten Schlüsselfunktionen für Gesundheit und Krankheit. Astrozyten versorgen die Nervenzellen mit Energie und Nährstoffen, regulieren aber auch ihre Aktivität. Mikroglia sind die hirnspezifischen Immunzellen, die das Gehirn unter normalen Bedingungen gegen Krankheitserreger verteidigen.

Um zu verstehen, wie Gliazellen zur Auslösung und Fortschreitung der Krankheit beitragen, müssen wir tief in das kranke Gehirn schauen. Wir interessieren uns besonders für den Hippocampus  – den Teil des Gehirns, der für die Neubildung des Gedächtnisses verantwortlich ist und einer der gefährdetsten Hirnregionen bei Alzheimer ist. Zu diesem Zweck analysieren wir menschliche Gehirnproben von Alzheimer-Patienten, die sich entschlossen haben, ihr Gehirn nach ihrem Tod zu spenden. Diese Proben wurden bisher von der Montreal Brain Bank in Kanada bereitgestellt. Nun wird jedoch ebenfalls eine Gehirnbank hier in Luxemburg eingerichtet und wir sind stolz auf dieses sehr wertvolle Geschenk für die Forschung.

Mehr Frauen als Männer sind betroffen

Bemerkenswerterweise sind ältere Frauen bei der Alzheimer-Krankheit viel häufiger betroffen als Männer, etwa zwei Drittel der Patienten sind weiblich. Dieser geschlechtsspezifische Unterschied, welcher nicht allein mit der längeren durchschnittlichen Lebenserwartung von Frauen erklärt werden kann, wird von LCSB-Wissenschaftler Dr. Enrico Glaab untersucht. Für seine Entdeckung der Rolle des Gens USP9 bei Alzheimer gewann er 2013 die Global NeuroDiscovery Challenge der Geoffrey Beene Foundation in einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit Harvard. Er zeigte, dass USP9 bei Männern und Frauen mit Alzheimer unterschiedliche Eigenschaften hat. In Experimenten an Zebrafisch- und Zellkulturmodellen, haben er und seine Mitarbeiter eine funktionelle Rolle dieses Gens bei der Regulation des Alzheimer-assoziierten Proteins Tau gezeigt. Dieses Protein sammelt sich in den charakteristischen neurofibrillären Bündeln im Gehirn von Alzheimer-Patienten an.

Glaab und seine Kollegen entschlüsselten den molekularen Prozess, durch den USP9zu den bei Alzheimer beobachteten molekularen Geschlechtsunterschieden beitragen kann, und stellten somit einen neuen Angriffspunkt für zukünftige Therapeutika bereit. Darüber hinaus entdecktne sie im Gen ADAM17 eine Genvariante, die mit der spät auftretenden Alzheimer-Krankheit assoziiert ist.